Zeitungsstapel vor hellem Hintergrund

Gleichzeitig Sonne und Chilis ernten


Kreis Bergstraße (kb). Landwirte, die mehr Flächen für ihren Anbau benötigen. Firmen, die mehr Platz für ihre Produktion brauchen. Junge Familien, die sich ein Eigenheim wünschen. Sowie Energieversorger oder Privatinvestoren, die Platz für den Ausbau erneuerbarer Energien suchen  die Liste derer, die Flächen benötigen ist lang und die Konkurrenz groß, auch im Kreis Bergstraße. Eine Perspektive, wie in Zukunft Gemüse angebaut werden könnte, ohne dafür zusätzliche Freiflächen versiegeln zu müssen, stellt aktuell das von der EU geförderte sogenannte Interreg-Projekt „GROOF“ (kurz für engl. Greenhouses to Reduce CO2 on Roofs) dar. Bei diesem hat das Team rund um den Geschäftsführer der Firma „Energy Biosphere Food“ (EBF), Franz Schreier, auf dem Gelände der alten Gärtnersiedlung in Bürstadt das Gewächshaus der Zukunft konzipiert – und zwar auf einer alten ehemaligen Lagerhalle. 

„Mit Ihrem GROOF-Dachgewächshaus schenken Sie uns hier im Kreis einen Blick in die Zukunft und zeigen, wie die Landwirtschaft von morgen funktionieren kann“, betonte Landrat Christian Engelhardt, als er sich vor Kurzem das Gewächshaus der Zukunft in Bürstadt anschaute. „Oftmals konkurrieren Landwirtschaft und erneuerbare Energien um Flächen. Ihr Gewächshaus zeigt, dass auch beides gleichzeitig funktioniert. Das ist sehr smart.“ 

Das GROOF-Gewächshaus ist dabei in jeder Hinsicht ein zukunftsweisendes Projekt. So hat Schreier strikt das Cradle-to-Cradle Prinzip (wörtlich „von der Wiege zur Wiege“, also eine konsequente Kreislaufwirtschaft) umgesetzt. Denn alte Baumaterialien werden aufbereitet und wiederverwertet. Zudem werden höchst innovative Baustoffe verwendet: Statt Glasplatten besteht das gewölbte „Dach“ des Gewächshauses aus einer dünnen ETFE-Folie, die das Licht in sein Gesamtspektrum aufbricht und dabei gleichzeitig höchst robust ist. „Der große Vorteil dieser Stahl-Folien-Konstruktion ist, dass es selbst bei Unwettern keine Beschädigungen gibt. Die Folie ist einerseits so flexibel, dass Hagelkörner wie von einem Sprungtuch aufgefangen werden, andererseits ist sie dadurch, dass sie doppelt liegt, so fest, dass es keine Körner ins Innere schaffen. Damit sind Ernte und Elektrik sicher“, erklärte Franz Schreier. Darüber hinaus sei die ETFE-Folie überaus langlebig und  problemlos 15 bis 20 Jahre verwendbar. Abgesehen von dieser besonderen Plane setzt das Projekt auf einen weiteren innovativen und gleichzeitig nachhaltigen Baustoff: Steine aus einem Gemisch aus Hanf und Kalk (Hanfkalk). Diese sind nicht nur haltbar, sondern bieten auch eine gute Wärmedämmung sowie ein angenehmes Raumklima, da sie die Raumfeuchtigkeit selbstständig regulieren. 

In dem Gewächshaus-Prototyp wachsen aktuell jede Menge Chilipflanzen. Hierbei ist Schreier eine Kooperation mit Alexander Hicks – besser bekannt als „Chili-Alex“ – eingegangen. Dieser baut seine Chilis mit einer speziellen, nachhaltigen Wasserversorgung an. Und: In Zukunft könnte das Gewächshaus sich noch futuristischer gestalten, indem irgendwann die Pflanzen nicht mehr in Erde wachsen, sondern auf einem dünnen Substrat über Aquarien, in denen Fische leben. Diese würden mit ihren Ausscheidungen dann automatisch die Chilipflanzen düngen. Aquaponik nennt sich diese Art der Bewirtschaftung. 

Was Franz Schreier und sein Team jedoch bereits umgesetzt haben, ist die Energieversorgung von morgen: Sie haben jede Menge kleine Solarmodule im Gewächshaus installiert. Diese können mit elektrischen Seilzügen bedient und somit immer optimal zur Sonne ausgerichtet werden. Die Solarmodule dienen dabei gleichzeitig dem Sonnenschutz der Pflanzen. „Das ist eine echte Win-Win-Situation. Einerseits können Sie die Pflanzen vor Sonnenbrand und somit vor Ernteausfällen schützen. Gleichzeitig können Sie den erzeugten Strom für die Belüftung und Beleuchtung des Gewächshauses nutzen und etwaige Überschüsse ins Stromnetz einspeisen. Sie ernten hier also nicht nur Gemüse, sondern auch Strom“, lobte Christian Engelhardt die innovative Konstruktion.